Afrika – Äthiopien. Beides sind Ziele, über die sich Dominik Hinkelmann und Hans Wegener bisher nur aus Zeitungsartikeln, Nachrichten und Filmen ein Bild machen konnten. Dass die beiden Bäckermeister noch in diesem Jahr von den besagten Weiten, Landschaften, der vielfältigen Kultur, der Armut, den Konflikten und vielem mehr in Genuss kommen würden, hatten Herr Hinkelmann und Herr Wegener im August selber noch nicht geglaubt.

So wurde im September kurzerhand Nägel mit Köpfen gemacht und Anfang Oktober sind die Bäckermeister nach Addis Abeba geflogen. Bereits am Flughafen haben die beiden gemerkt, dass Addis wenig mit ihrer Heimat Dortmund bzw. dem Weserbergland zu tun hat. Vom Flughafen sind sie mit der Leiterin Etagegne Bierig weiter zur Organisation gefahren, in der sie die kommenden Wochen das Ziel verfolgen, für das sie in die Hauptstadt Äthiopiens geflogen sind. Das Ziel war es, in dem Zeitraum von 24 Tagen einen Laden zu eröffnen, in dem „deutsche Backwaren“ verkauft werden und so eine zusätzliche Einnahmequelle für die Organisation geschaffen wird. Dafür war zunächst erforderlich, dass die beiden Bäckermeister sich mit den Rohstoffen und ihrer Qualität vor Ort vertraut machen, Rezepte entwickeln und diese anschließend dem einheimischen Bäckerduo Waldee und Mohammed beibringen. Sowohl Dominik Hinkelmann, der für die deutsche Bäckernationalmannschaft international unterwegs war, als auch Hans Wegener, der bereits einige Praktika im europäischen Raum und Auslandeinsätze in Jordanien absolviert hat, brachten internationale Erfahrung mit, die sie in dem Projekt super einfließen lassen konnten. Zusätzlich zur internationalen Erfahrung, die die Jungmeister mitbrachten, erforderte die erfolgreiche Umsetzung ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an komplett andere Bedingungen.

Beginnend mit anderen Backeigenschaften bereits bekannter Rohstoffe, über die für die Bäcker neuen Rohstoffe wie Rotkornweizen oder Teffmehl bis hin zu einem schlechteren Kneter, Ofen und Gärraum. Alles zusammen stellte für das deutsche Bäckerduo eine große Herausforderungen dar. Ein weiterer Parameter, der berücksichtigt werden musste, waren die verhältnismäßig teuren Rohstoffpreise. Die forcierte Zielgruppe ist die ärmere Gesellschaft bis zur unteren Mittelschicht, die langfristig mit qualitativ hochwertigen Backwaren versorgt werden soll.

Aufbauend auf diesen Rahmenbedingungen haben die jungen Bäckermeister in der ersten Woche verschiedenste Backversuche mit unterschiedlichen Rohstoffen gemacht und das Angebot anderer Bäckereien sowie das Rohstoffangebot potenzieller Lieferanten ausgewertet. Anschließend wurden zahlreiche Verkostungen sowohl mit den Kindern und Mitarbeitenden der Organisation als auch weiteren „Locals“ durchgeführt. Dies war unverzichtbar, um die Rezepturen an den landestypischen Geschmack anzupassen. Darüberhinaus wurde von Anfang an eine Exceltabelle gepflegt, in der die Materialeinsatzkosten aufgrund der Rezeptur errechnet wurden, um einen kundenorientierten Verkaufspreis zu ermöglichen. Auf Grundlage der Umsetzbarkeit, des Geschmackes und der Kosten standen am Ende der ersten Woche bereits einige Produkte.

Neben der Arbeit in der Backstube galt es auch ein Fachgeschäft zu gestalten und einzurichten, das zum Ende des Aufenthaltes eröffnet und mit den kreierten Backwaren bestückt werden sollte. Auch hier konnten die Jungunternehmer ihre Erfahrung und Meinung einfließen lassen. Dass die äthiopischen Vorstellungen und die alltäglichen Abläufe andere waren, als die beiden aus der Heimat kannten, wurde auch an dieser Stelle klar. Nach konstruktiven Gesprächen fanden die Verantwortlichen vor Ort, Etagene, Habtamu und Biène mit den Bäckermeistern einen guten Kompromiss für einen ansprechende Ladengestaltung im Rahmen der vorhanden Möglichkeiten.

Durch die Neugierde an dem Handwerk haben Herr Hinkelmann und Herr Wegener Bäckereien in Addis Abeba in ihrer Freizeit aufgesucht, um Eindrücke von der Bäckereibranche und der Dynamik der Arbeitswelt vor Ort zu gewinnen. Dank großer Aufgeschlossenheit der Bäckereien konnten in der darauffolgenden Woche zwei angesehene Bäckereien besichtigt werden. Besonders wertvoll war jedoch das gemeinsame Backen vor Ort und der Austausch mit der jeweiligen Geschäftsführung. Die gewonnen unternehmerischen Erkenntnisse und Erfahrungen über die äthiopische Marktwirtschaft haben die Meister in das Projekt einfließen lassen – dies betrifft insbesondere die Rohstoffpreise und -qualität, allgemeine Arbeitseinstellung, landestypische Arbeitsbedingungen und Mitarbeiterführung.

Neben dem täglichen Verkauf im eigenen Fachgeschäft der Organisation sollen künftig auch Kioske in der Nähe beliefert werden. Hierfür wurde morgens ein Teil der Produktpalette gebacken und das Team ging von Kiosk zu Kiosk (vgl. Foto), um die Produkte den einzelnen Besitzern vorzustellen und die Eigenschaften zu erklären. Aber nicht nur die potenziellen Wiederverkäufer haben Kostproben bekommen, sondern auch vorbeilaufende Passanten wurden Probierstückchen gegeben, um sie als zukünftige Kunden der „German Bakery“ zu gewinnen. Aufgrund der positiven Resonanz waren besonders die Bäckermeister sehr zufrieden, da es auch Tage gab, an denen sie aufgrund der anderen Rohstoffqualität Rückschläge erfahren mussten. So hat das gesamte Team nicht nur gemerkt, dass es Schritte in die richtige Richtung sind, sondern auch erste Zahlen über die zu produzierende Backwaren von den Wiederverkäufern bekommen.

So ging es immer näher auf die letzte Woche zu. Dominik Hinkelmann und Hans Wegener fingen an die Bäcker, die langfristig für die Organisation backen sollen, mehr in die Produktion einzubinden. Neben der Finalisierung der letzten Produkte und dem Coachen, haben die Beiden einen Ablauf für die Produktion, eine automatische Rezeptberechnung anhand des Produktionsbedarfs und eine Verkaufsprognose anhand der Verkaufsmengen der Vorwochen erstellt.

Um eine reibungslose Eröffnung zu ermöglichen, bedurfte es viel Kommunikation und den Einbezug des gesamten Teams in der letzten Wochen. Dies war vor allem zur Schaffung einer guten Basis für die kommenden Wochen wichtig, in denen das Team vor Ort die entwickelten Produkte alleine backt und die Bäckerei selbstständig betreibt. Ziel war es trotz der Sprachbarriere, ein besseres Verständnis der Bäcker für das wie und warum zu erreichen und nicht nur die Herstellung zu zeigen und nacharbeiten zu lassen. Abseits der Backstube wurde das entwickelte Bestellsystem mit den Verwaltungsmitarbeiter besprochen und diese in der Anwendung geschult. Mit Hilfe dessen wird auf Basis der verkauften Menge der Vorwoche die benötigte Menge für den Folgetag ermittelt und der Backplan inklusive der richtigen Rezepturmengen automatisch generiert.

Somit wurde in der letzten Woche intensiv in den Bereichen Verkauf, Backstube und Verwaltung gearbeitet, damit diese ineinandergreifen und einen langfristigen Erfolg der Bäckerei ermöglichen. Am Tag vor der Eröffnung wurde ein Probetag veranstaltet, an dem zu Tagesbeginn offene Fragen beantwortet wurden, aber das Bäckereiteam vor Ort, bestehend aus Waldee und Mohammed, selbstständig gebacken haben. Die Intention war es, dass die einheimischen Bäcker Fehler machen können, aus denen sie mit Hilfe einiger Tipps lernen können.

Am Eröffnungstag haben die vier Bäcker gemeinsam gebacken, um ausreichend und qualitativ hochwertige Backwaren für die Eröffnungsfeier und den Ladenverkauf zur Verfügung zu haben. Sowohl für die Eröffnung am Morgen als auch für die Feier am Nachmittag wurde jeweils frisch gebacken, da die Frische der Backwaren einen entscheidenden Parameter für den Erfolg einer Bäckerei darstellt.

Für den zweiten Eröffnungstag haben die beiden Mitarbeiter der Organisation Mohammed und Waldee bereits selbstständig gebacken und das Gelernte umgesetzt.

Innerhalb von 24 Tagen wurde eine gute Grundlage für den langfristigen Erfolg der Bäckerei geschaffen. Die bedeutend größere Herausforderung ist jedoch die Backqualität aufrechtzuerhalten und die alltägliche Teamarbeit weiterzuentwickeln. Wegener und Hinkelmann sind zukünftig gerne bereit das Team im Rahmen Ihrer Möglichkeiten weiter zu unterstützen und wünscht dem gesamten Projekt alles Gute für die Zukunft!

Die beiden Bäckermeister beschreiben die Zeit als „persönlich und fachlich prägende Zeit“ und erhoffen sich für die Kinder eine noch bessere schulische Ausbildung. Dabei erachten sie die Verbesserung der englischen Sprache als ein Schlüsselement für den Zugang zu weiteren Bildungsmöglichkeiten und den landesübergreifenden Austausch in Zukunft.